24.8.07

Vom Luxus der Zahnpasta

Kinder auf den Philippinen leiden so stark unter Karies, dass ihre Entwicklung beeinträchtigt ist. 33 Cent pro Jahr und Kind kostet die Versorgung mit Zahnpasta - doch selbst dafür fließt das Geld nur langsam.

Für Angelino Morales war dieser dritte Dienstag im Juli 2007 der Tag, an dem man zweimal "Schlange machen" musste. Das erste Mal war für den Sechsjährigen wie immer: Aufstellung aller 2570 Schüler der Lapasan Public Elementary School von Cagayan de Oro, Provinzhauptstadt in Nord-Mindanao, zur morgendlichen Flaggenzeremonie auf dem Schulvorplatz - wie immer mit der Nationalhymne. Dann kamen drei weißgewandete Fremde in die Klasse. Man musste wieder Schlange stehen, dieses Mal aber nur eine ganz kurze Schlange. Angelino musste den Mund aufmachen und eine Zahnärztin zählte Zähne und notierte etwas auf einer Karte. Dann bekam er, wie fast alle Kinder, einen Zettel mit dem Rat, er solle zum Zahnarzt gehen. Dann durfte er sich setzen.

"Untersuchung ohne Behandlung ist fast schon unethisch", sagt die deutsche Zahnärztin Bella Monse, die für Schulbehörden auf den Philippinen tätig ist. "Aber was sollen die Schulzahnärzte tun, wenn kein Geld für Zangen, Betäubung und Füllungen da ist?"

Das philippinische Team von der Gesundheitsabteilung erhebt Befunde im Sekundentakt. Anders sind die vielen Kinder nicht zu untersuchen. Es werden Statistiken erstellt, Überweisungsformulare ausgefüllt. Aber wofür? Etwa um Angelino und seine Eltern zu informieren, dass ihr vierter Sohn dringend zahnärztlicher Behandlung bedarf, die aber wegen der Armut daheim nie stattfinden wird? Etwa um im nächsten Jahr festzustellen, dass Angelino nicht nur sieben, sondern jetzt neun zerstörte Milchzähne hat? Wozu Daten, die allenfalls ein Bild nachzeichnen, das bereits deutlich ist?

Im Jahr 2006 brachte Bella Monse die philippinische Schulbehörde mit dem WHO Collaborative Center der Universität Jena zusammen. Frucht der Kooperation: Es entstand eine wissenschaftlich abgesicherte Mundgesundheitsstudie, die repräsentativ für die Philippinen ist. 4000 Sechs- und Zwölfjährige wurden im Inselreich untersucht. Die Daten sollen die Grundlage für Strategien sein, die sich auch ein armes Land leisten kann.

Die Ergebnisse schockierten selbst Insider: 97 Prozent aller Erstklässler haben Karies; durchschnittlich sind neun Zähne bei jedem Kind zerstört - bei durchschnittlich drei Zähnen liegen die Nerven offen. Jedes zehnte sechsjährige Kind hat einen Abszess im Mund. Die bleibenden Zähne sind auch nicht besser erhalten: 80 Prozent aller Zwölfjährigen leiden an Karies, im Durchschnitt hat jeder Jugendliche dieser Altersgruppe drei völlig zerstörte Zähne im Mund. Füllungen gibt es bei Kindern auf den Philippinen so gut wie gar nicht. Ein Fünftel der Kinder gab an, "problems in the mouth" zu haben. Eine große Zahl und dennoch klein, gemessen an den vielen verwahrlosten Kindermündern. Die Erklärung der Diskrepanz: Wer als Kind ständig Zahnschmerzen hat, hält die Pein für normal.

Sie können helfen: Unterstützen Sie private Hilfsleistungen für Bedürftige auf den Philippinen, indem Sie Internet-Dienstleistungen ausführen lassen.

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